Munch und ich
Mutiger Titel, oder?
Im Januar schaute ich mir die Ausstellung "Munch. Lebenslandschaft" im Museum Barberini in Potsdam an. Ohne Hintergrundwissen haben mich die dort präsentierten Bilder von Edvard Munch wie ein Eimer kaltes Wasser erwischt. Noch nie habe ich so einen Sog zu Bildern gespürt. Die Wucht der Emotionen in den Bildern und ein Stil, dem man die Hast, den Drang und Druck, die Notwendigkeit und den Schmerz in jedem Strich ansieht.
Aber neben den Motiven waren da auch übermalte Stellen, minimalster Farbauftrag, runtergelaufene Nasen, Geisterfiguren, die einfach neben dem ausgearbeiteten Motiv sichtbar blieben. Stellen, für die er sich keine Mühe gab, sie zu kaschieren oder ungeschehen zu machen. Dauernd fragte ich mich: War er damit wirklich fertig? Hat er das absichtlich so belassen oder wollte er das später noch ändern? Er hat so unfassbar viele Bilder gemalt und heute sind alle von Wert. Er hat seine Bilder nicht gut behandelt, zum Teil einfach draußen unter einem Unterstand stehen gelassen. Wie war das für ihn? Wann und warum war für ihn der Punkt gekommen, bestimmten Aspekten des Bildes eine andere Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen?
In seinem Selbstbildnis mit Skelettarm zeigt er sein Gesicht sehr detailliert um dann am unteren Rand des Bildes den Skelettarm zu positionieren, der alles andere als sorgfältig geplant daherkommt. Ohne die inhaltliche Seite zu diskutieren, dachte ich mir: "Damit kam der durch?". Was hat er sich dabei jedes Mal gedacht, als er das Motiv insgesamt vier Mal so in unterschiedlichen Formen wieder verwendet hat?". Also bei allem Respekt einfach ein Wow für diese Art, des "Ich mache, was ich will".
Die Ausstellung im Barberini, nebenbei gesagt, war hervorragend: Genug Informationen um verstehen zu können, was man sieht und viel Raum für die Bilder an sich. Ein paar Tage später besuchte ich die Munch Ausstellung "Zauber des Nordens" in der Berlinischen Galerie: Kein Vergleich, leider: Die Informationen dünner, die Bilder nicht so wirkungsvoll präsentiert. Kurz vor Ende der Ausstellung, habe ich mir die "Lebenslandschaft" noch einmal angeschaut und die gleiche Wucht wieder gespürt. Jetzt muss ich irgendwann mal nach Oslo und dort ins Munch Museet.
Jetzt habe ich so viel über Munch geschrieben, dass ich mir überlege, ob ich nicht lieber einen separaten Artikel zu meinem Gekritzel - um das es hier eigentlich gehen sollte - schreibe, weil: Hallo?! Aber der Dreh ist: Diese Erfahrungen haben etwas in mir angestoßen. Die Idee, nur das wiedergeben zu wollen, was man für wesentlich hält. Der Mut, zu sagen, hier ist Schluß, auch wenn da für andere noch was fehlen, nicht passen oder hässlich sein sollte. Die Wucht der Umsetzung des Nicht-Schönen. Fragezeichen nicht nur stehenzulassen sondern sie hinzustellen. Irgendwie hat das was Befreiendes und es entflammte in mir jedenfalls wieder so eine Art Feuer, das ich schon ganz lange nicht mehr gespürt habe und das ausnahmsweise auch mal nichts mit ADHS und Hyperfokus zu tun hat. Also danke, Herr Munch und danke Barberini!
In diesem Sinne habe ich mir jetzt ein paar größere Blätter (A3) und Zeichenkohle besorgt um freier, schneller, lebendiger und chaotischer das rauszubringen, was da irgendwie vielleicht raus will. Auch wenn das erste Bild nun wieder ein Eichhörnchen geworden ist. Das zweite ist eine Meeresszene, inspiriert von der Niederländischen Nordsee.